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Stellenwert der Gesundheit als mitgliedsstaatliche Kompetenz

Gemäß Artikel 168 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), der Grundrechtecharta und Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellen das menschliche Leben und die menschliche Gesundheit das höchste Schutzgut im Wertesystem der Union dar. Die Verwaltung des Gesundheitssystems, die medizinische Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten finanziellen Mittel liegen in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Sie entscheiden darüber, welches Schutzniveau sie bei der Regulierung von Gesundheitsberufen für angemessen halten.

Wie steht Ihre Partei zu dem in Artikel 168 AEUV zuerkannten Wertungsspielraum der Mitgliedsstaaten hinsichtlich ihrer Gesundheitspolitik und wie wollen Sie in Anbetracht gefährlicher europafeindlicher Tendenzen die großen Zukunftsaufgaben anpacken?

CDU: CDU und CSU stehen zum Grundsatz der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Die rechtlich geschützte nationale Zuständigkeit für die Gesundheitspolitik aus dem Artikel 168 AEUV wollen wir bewahren. Gesundheitspolitik - eines der sensibelsten Politikfelder - hat auch immer eine soziale Komponente und darf schon aus diesem Grund nicht aus der Perspektive der europäischen Binnenmarktregelungen betrachtet werden.

BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die Kompetenz für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung liegt bei den Mitgliedstaaten. Dennoch ist für uns klar: Um grenzüberschreitende Gesundheitskrisen besser zu bewältigen und die Krisenvorsorge zu stärken, wollen wir noch enger auf europäischer und globaler Ebene zusammenarbeiten. Denn die Coronapandemie hat einmal mehr gezeigt, dass die großen Herausforderungen für unsere Gesundheit keine nationalen Grenzen kennen.
Große Vorteile der Zusammenarbeit sehen wir u.a. bei der Arzneimittelversorgung: Um Unternehmen zu ermutigen, neue Arzneimittel, Wirkstoffe und Medizinprodukte in Europa zu entwickeln und zu produzieren, setzen wir auf krisenfeste Lieferketten - ggfs. durch die teilweise Rückverlagerung von Produktion nach Europa. Zum anderen müssen für bislang vernachlässigte Krankheitsbilder und angesichts der Entstehung von Therapie-Resistenzen neue Anreize für die Entwicklung medizinischer Innovationen geschaffen werden, insbesondere für Reserveantibiotika.

SPD: Gemäß Artikel 168 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ergänzt die Politik der Union lediglich die der Mitgliedstaaten. Wir Sozialdemokraten setzten uns dennoch für hohe Standards in der Gesundheitspolitik und ein transparentes System ein, in dem die Bürgerinnen und Bürger so gut wie möglich informiert und versorgt werden. Wir wollen, dass auf langer Sicht alle europäischen Bürgerinnen und Bürger den gleichen Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsleistungen haben. Besonders wenn es um die Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten, sowie In-Vitro Diagnostika geht, muss sichergestellt werden, dass die Qualität und Sicherheit innerhalb der EU langfristig keine Unterschiede aufweist. Als Sozialdemokraten fordern wir eine wirkliche Gesundheitsunion. In dieser Legislaturperiode haben wir die ersten Schritte dafür in die Wege geleitet.

FDP: Die Gesundheitspolitik genießt in der nationalen Kompetenz der Mitgliedsstaaten einen äußerst hohen Stellenwert. Gleichwohl sehen wir Freie Demokraten in der europäischen Zusammenarbeit auch in diesem Bereich die Voraussetzung für ein möglichst hohes Gesundheitsschutzniveau für alle Bürgerinnen und Bürger. Wir treten an, um auch weiterhin als Europäer gemeinsame Ansätze zu finden und zu verfolgen, wo dies sinnvoll ist. Europafeindlichen Tendenzen jedweder Art treten wir generell entschieden entgegen.

DIE LINKE: Markt und Profitstreben sind schlechte Ordnungsprinzipien in der Gesundheitspolitik. Rechtsakte der EU in der Gesundheitspolitik sollten nicht auf den Prinzipien des freien Handels und des Wettbewerbs fußen und die Gesundheitspolitik der Mitgliedstaaten darf durch diese Prinzipien nicht eingeschränkt werden. Da Gesundheit und Pflege Teil des Sozialstaates sind, wollen wir sie dem Binnenmarkt und dem EU-Wettbewerbsrecht entziehen. Europafeindlich allerdings wäre ein Verständnis des Art. 168, dass sich die EU aus allem heraushalten sollte. Denn dieser Artikel sieht vielfältige Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten vor, die in vielen Bereichen (z.B. Pandemie) auch sinnvoll sein kann. Die Linke will eine Versorgung, die sich nach dem Bedarf der Menschen richtet, nicht nach der Profitabilität ihrer Behandlung. Wir wollen Krankenhaus- und Pflegekonzerne in die öffentliche Hand überführen. Medizintechnik- und Pharmaindustrie müssen am Gemeinwohl ausgerichtet werden.